Universität Stuttgart
11.12.2020 Veranstaltungsrückblick

VDE Hochspannungstechnik 2020 - Bericht, Downloads

09.-11. November 2020, online

Die Fachtagung VDE Hochspannungstechnik 2020 wird als erstes Online-Event dauerhaft in Erinnerung bleiben: Unter erschwerten Bedingungen fand der wissenschaftliche Austausch statt. Trotz der fehlenden persönlichen Begegnung kamen die Diskussionen nach den Vorträgen nicht zu kurz. Auch in den Poster-Sessions konnten die Autoren die Beiträge einer großen Teilnehmerzahl präsentieren. So kann das Fazit gezogen werden: Es war eine erfolgreiche Veranstaltung.

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Dann informieren Sie sich mit dem Tagungsband, der im VDE Verlag veröffentlicht wurde.

Ergebnisse der Teilnehmerbefragung

Die Fachtagung als Online-Event

Anfang Oktober, also knapp 4 Wochen vor Beginn der in Berlin geplanten Veranstaltung, musste der Programmausschuss die weitreichende Entscheidung treffen, die Fachtagung Hochspannungstechnik ausschließlich online umzusetzen. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits zentrale Stadtteile Berlins als Risikogebiete eingestuft worden und die Indikatoren für das Infektionsgeschehen deuteten auf einen weiteren Anstieg. Der später verordnete „Lockdown light“ bestätigte die Richtigkeit der getroffenen Entscheidung.

Wie aber kann eine Veranstaltung, deren wesentlicher Mehrwerte in Diskussion und Networking bestehen, online umgesetzt werden? Hier gelang es dem VDE Veranstaltungsservice, ein wirklich innovatives Online-Tool einzusetzen. HopIn.to ist auf nahezu unbegrenzte Teilnehmerzahlen zugeschnitten, ermöglicht aber gleichzeitig mittels Video- und Textchats eine direkte Kommunikation zwischen den Teilnehmern. Parallel stattfindende Sessions wurden in verschiedenen, elektronisch geschalteten Meetingräumen abgebildet, was das Wechseln der Räume während der Sessions zu einer Sache von Mausklicks macht. Die Präsentierenden hielten ihre Vorträge live vor ihren Computern. Fragen konnten über den Chat gestellt werden oder ebenfalls live, indem die Fragesteller ihr eigenes Audio und Video aktivierten. Dabei kamen lebendige Diskussionen zustande, die realen Events kaum nachstanden. Die Postersession wurde in Form von Kurzvorträgen durch die Autoren realisiert, was einen spürbaren Vorteil gegenüber der Postersession bei Präsenzveranstaltungen darstellte. Sogar eine Fachausstellung wurde digital abgebildet.

Schwierigkeiten des Online-Formats waren dennoch Legion: Firewalls blockierten die Videostreams, der individuell schlechte Uplink ließ oft nur verpixelte Bilder zu, nicht funktionierendes Audio oder Video führte zu erheblicher Ablenkung und Verspätung, den Vortragenden fehlte das unmittelbare Feedback der Zuhörer und – last but by no means least – das Knüpfen oder Vertiefen sozialer Kontakte und echte soziale Interaktion blieben nahezu undurchführbar.

Trotz des reinen Online-Formats konnten 240 Teilnehmer begrüßt werden; bei der letzten Präsenzveranstaltung im Jahr 2018 waren es 328. Die große Zahl von 159 Beiträgen wurde angemeldet (149 in 2018), allerdings zogen Autoren wegen Covid19-bedingter Verzögerungen 39 zurück.

Die freigegebenen Vorträge stehen für die Teilnehmer auf www.vde-hochspannungstechnik.de/2020 zum Download bereit.

Tutorials von Cigré Arbeitsgruppen

Am ersten von drei Veranstaltungstagen wurden Tutorials von Arbeitsgruppen der Cigré vorgestellt. Prinzipiell sind alle Arbeitsgruppen der Cigré angehalten, ihr erarbeitetes Wissen durch Tutorials an die Fachcommunity weiterzugeben. Bei der Fachtagung Hochspannungstechnik präsentierten Leiter oder Mitglieder der Arbeitsgruppen 8 Tutorials in zwei parallelen Sessions, die von insgesamt 140 Zuschauern online verfolgt wurden. Themen waren: die Feldsteuerung in elektrischen Isoliersystemen; die Errichtung, Teilentladungsbewertung und Fehlerlokalisierung an Hochspannungskabeln; die Interpretation von FRA-Messungen, Teilentladungsmessung im UHF-Bereich und Feuchtemessung in Transformatoren; sowie die Zuverlässigkeit von Durchführungen. Die wesentlichen Arbeitsergebnisse der Cigré Arbeitsgruppen können als technische Broschüren bei www.e-cigre.org heruntergeladen werden, für Cigré-Mitglieder ist dieser Service sogar kostenlos.

Bild 1: Steuerung des elektrischen Wechselfeldes am Stützer einer SF6-Schaltanlage durch inhomogen verteilte Partikel mit hoher Permittivität ε-FGM [2]

| [2] V. Hinrichsen et al. / e-cigre.org

Wesentlicher Gegenstand der Arbeitsgruppe D1.56 waren neuartige Materialien zur Feldsteuerung z.B. mit Füllstoffen. Bild 1 zeigt die Feldsteuerung durch neuartige Werkstoffe, welche das elektrische Wechselfeld durch eine inhomogene Verteilung von Partikeln mit hoher Permittivität ε steuern. Im Bild verringern die Partikel die Feldstärke an einem Stützer in einer SF6-Schaltanlage. Zu den noch offenen Fragen gehört die messtechnische Charakterisierung dieser neuartigen Werkstoffe.

Bild 2: Trend zur TE-Messung bei der Abnahmeprüfung von Höchst- und Hochspannungskabeln [3]

| M. Fenger et al. in: e-cigre.org

Themenschwerpunkt Energiekabel

Energiekabel bildeten aufgrund der weltweit einzigartigen HVDC-Projekte und dem grundsätzlichen Kabelvorrang in Deutschland einen wesentlichen Schwerpunkt der Veranstaltung. Beiträge thematisierten den erforderlichen Netzausbau und die mit dem Kabelvorrang verbundenen Mehrkosten, neuartige Isolierstoffe z.B. mit Nanopartikeln, spezielle Probleme bei Gleichspannung und viele Fragestellungen der Diagnostik, insbesondere der Teilentladungsmessung.

Herr Michael Jesberger (TransnetBW GmbH) präsentierte den Laborbericht Netzplanung 2050 mit dem erforderlichen Netzausbau, welcher die Zukunft der Schlüsseltechnologie Hochspannungstechnik betonte. Herr Patrick Düllmann (RWTH Aachen) zeigte im Beitrag „DC-DC Intersystem Faults in Parallel Partially-Cabled HVDC Links“, dass bei Fehlern zwischen benachbarten DC-Systemen hohe, schwingende Überspannungen entstehen, die stark vom Netzaufbau und vom Fehlerort abhängen. Für Hoch- und Höchstspannungskabelsysteme wird die Teilentladungsprüfung immer mehr zum Standard-Abnahmetest vor der Inbetriebnahme, stellte Professor Ronald Plath (TU Berlin) fest, Bild 2.

Bild 3: Weiterentwicklung der konventionellen Umspannanlagen zu einer Energie- und Datendrehscheibe für Städte


| © Rene Hellberg (Westnetz GmbH)

Transformatorbetrieb und -diagnose

Die Konvergenz von Transformatorüberwachung, -Steuerung und Schutzfunktionen samt Auslösung im Fehlerfalle, ausgeführt durch das universelle Kommunikationsprotokoll IEC 61850 in einem durchgängigen intelligenten Stationskonzept, macht Fortschritte, wie im Projekt Designnetz demonstriert wurde. Die einfachere Verfügbarkeit der Betriebsdaten des Transformators auf der Leitebene ermöglicht modifizierte Betriebsweisen, wie zum Beispiel den dynamischen Überlastbetrieb. Dazu ist es sinnvoll, die Berechnungswerkzeuge zu schärfen, zum Beispiel durch Simulationen von Wicklungsverlusten und Wicklungskühlung, zeigte Rene Hellberg (Westnetz GmbH), Bild 3.

Im großen Themenkomplex Transformatordiagnose wurde u.a. wiederum bewiesen, dass diagnostische Kriterien von Mineralöl nicht ohne weiteres für Isolierflüssigkeiten auf Pflanzenölbasis anwendbar sind, zum Beispiel für die Berechnung der Konzentration von gelösten Gasen (DGA). Es bleibt ein ständiges Interesse der Betreiber die Alterung von ölimprägnierten Isoliersystemen, einerseits zu quantifizieren, andererseits zu verzögern. Mit diesem Themenkreis beschäftigten sich Beiträge zum Einsatz von Fuzzylogic-Algorithmen zur Korrelation von Schadgaskonzentrationen im Öl mit der Depolymerisation von Zellulose und zur nachträglichen Hermetisierung von Transformatoren.

Herr Tobias Münster (Uni Hannover) stellte Laborergebnisse einer innovativen optischen Messtechnik vor, welche einen faseroptischen Sensor zur Bestimmung des Polymerisationsgrads der Zellulose verwendet. Funktioniert ein solcher Sensor zuverlässig, so könnten genaue Aussagen zur Lebensdauer der Feststoffisolierung getroffen werden. Weitere Beiträge beschäftigten sich mit der Sensorik zur UHF-Teilentladungsmessung und einem besseren Verständnis von Leitungsvorgängen in Isolierflüssigkeiten, insbesondere bei Gleichspannung.

Bild 4: Vergleich der gemessenen TE-Amplituden der drei Labore A, B, C bei 1,0- und 1,1-facher TE-Einsetzspannung (oben) und bei positiver Gleichspannung oberhalb der Einsetzspannung (unten)

HVDC Betriebsmittel und Schaltanlagen

Hochspannungs-Gleichspannungs-Übertragung stellt eine wichtige Technologie der Energiewende dar. Vorgestellt wurden geeignete Betriebsmittel wie kapazitiv gesteuerte Durchführungen für HVDC, gasisolierte Schaltanlagen und spezielle Prüfungen für Betriebsmittel, insbesondere die Teilentladungsmessung und -interpretation bei Gleichspannung. Das gemeinsame Paper „Reproduzierbarkeit der Ergebnisse von Teilentladungsmessungen bei Gleitentladungen nach IEC 60270 unter Gleich- und Wechselspannungsbelastung“ von Forschungseinrichtungen (HS Bremen, TU Graz, Uni Hannover) präsentierte die Ergebnisse eines Round-Robin-Tests für Gleitentladungen bei Wechsel- und Gleichspannung. Bei Wechselspannung ergaben sich erhebliche Unterschiede zwischen den Laboren in der Höhe der TE-Pegel, jedoch waren bei Gleichspannung die Abweichungen geringer und bei allen Laboren unter 10 pC, Bild 4.

Ausblick

Die nächste Fachtagung Hochspannungstechnik plant der Programmausschuss der ETG Q2 für den November 2022 in Berlin, dann hoffentlich nach Corona in Präsenz. Das Angebot von Tutorials am Anreisetag soll wegen der guten bisherigen Erfahrungen wiederholt werden.

Bei der Fachtagung VDE Hochspannungstechnik wurden wieder mehrere Beiträge zu neuen und umweltfreundlichen Technologien vorgestellt, wie z.B. dem Ersatz des Isoliergases SF6, dem Ersatz von Mineralöl durch Pflanzenöle und umweltverträgliche Verarbeitungsmethoden. Der Einsatz von unter Umweltgesichtspunkten unkritischen Materialien steigert die Akzeptanz für Ausbau des elektrischen Energienetzes. Um diese Lösungen zu stärken, möchte die ETG Q2 bereits im Herbst des kommenden Jahres 2021 einen eintägigen Workshop unter dem Titel „High Voltage Goes Green“ durchführen. Wir freuen uns über Ihr Interesse und informieren gern rechtzeitig.

Literatur

[1] Tagungsband ETG-Fachbericht 162: „Beiträge der Fachtagung VDE Hochspannungstechnik 2020“, 9.-11. November 2020, online. 2020, ISBN 978-3-8007-5353-6 / ISSN 0341-3934

[2] V. Hinrichsen et al.: “Field grading in electrical insulation systems”, technische Broschüre der Cigré WG D1.56, online verfügbar bei www.e-cigre.org, Paris 2020

[3] M. Fenger et al.: „On-Site Partial Discharge Assessment of HV and EHV Cable Systems“, technische Broschüre der Cigré WG B1.28, online online verfügbar bei www.e-cigre.org, Paris 2018

koch-bild

Maik Koch, Prof. Dr.-Ing., Hochschule Magdeburg-Stendal,
Stellv. Leiter des FB Q2 „Werkstoffe, Isoliersysteme und Diagnostik“


Tagungsband ETG-Fachbericht 162: VDE Hochspannungstechnik

ETG-Fachbericht 162

Beiträge der ETG-Fachtagung, 9. – 11. November 2020, Online-Veranstaltung
2020, 711 Seiten, 140 x 124 mm, Slimlinebox, CD-Rom
ISBN 978-3-8007-5353-6, E-Book: ISBN 978-3-8007-5355-0

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Teilnehmerbefragung - weitere Antworten

Was könnte der Veranstalter bei einer Online-Veranstaltung das nächste Mal besser machen?Was möchten Sie uns über die Veranstaltung sonst noch sagen?

Postersession

Die Poster Sessions länger machen oder weniger, diese Thema waren zum Teil sehr interessant, wobei es mir vorkam, dass eher die Zeit im Vordergrund stand als die Vorstellung.

 

Die Postersession war in meinen Augen äußerst schlecht. Viel zu wenig Zeit um etwas sinnvoll zu erzählen. Bei online ist es kaum Mehraufwand mehrere Sessions zu öffnen und hier etwas mehr Zeit zur Verfügung zu stellen. In den Postersessions in denen ich war wurden auch kaum Fragen gestellt, was meiner Meinung nach daran liegt, dass viel zu wenig erzählt werden konnte. Qualität statt Quantität.

 

Den Diskussionen im Rahmen der Postervorträge mehr Raum geben.

 

Ausstellung

Sehe nicht den Sinn von Online Ausstellungen, da es hierfür auch andere Kanäle gibt (z.B. Webseiten der Aussteller)

 
Ausstellungskonzept überarbeiten.

 

Veranstaltung allgemein

Da sehr viele Interessanten Vorträge präsentiert wurden, musste ich mich manchmal zwischen zwei Veranstaltungen entscheiden. Einen zeitlichen Versatz wäre sinnvoll, wenn dadurch die Möglichkeit gegeben wird noch mehr Vorträge zu sehen.

 
Technik-Checks im Vorfeld

 
Die Möglichkeit die Beiträge auch online mit Übersetzer zu verfolgen, dass würde die Veranstaltung für internationales Publikum interessanter machen

 
Diskussionen z.T. zu kurz, passender Chat-/Online-Raum zu jeden Beitrag / Session für Fragen und Diskussion

 

Networking

Möglichkeiten die teilnehmenden Personen stärker mit einzubinden um das Networking zu unterstützen

 
Virtueller Raum für die Kaffeepausen besser nutzbar machen.

 
Online Veranstaltung war sehr gut, allein der persönliche Kontakt und Austausch hat gefehlt (oder war über den Chat zu kompliziert und unpersönlich)

Das Beste aus der Situation gemacht. Danke!

 

Mehr Beiträge von internationalen Kollegen. Eine der besten Veranstaltungen für den Hochspannungsbereich. Macht weiter so! 

 

Sehr gut organisiert! Herzlichen Glückwunsch und besten Dank dafür.

 

Wenn man Bedingungen an das Paper hat, sollten diese im Vorhinein kommuniziert werden und nicht erst beim Upload angemerkt werden. Hier gab es immer wieder beim Hochladen (die Anweisungen und Tipps wurden befolgt) Probleme und eine Mindestseitenzahl, wie sie der Uploadservice verlangt hat, haben wir nirgends finden können. Alles in allem wurde einem aber meistens recht gut und meist auch sehr schnell von den Mitarbeitern (in meinem Fall besonders Hr. Parisel) geholfen. Sehr gut fand ich auch die Versuchsräume wo man seine Einstellungen etc kurz testen konnte. An manchen Ecken sollte denke ich noch nachgebessert werden, aber unterm Strich sehe ich hier Potential, dass dies eine gute Option ist und sehr viele neue Möglichkeiten mit sich bringt (geringere Kosten, wodurch auch kleinere Interessenten die Möglichkeit wahrnehmen können; geringerer Aufwand, höhere zeitliche Flexibilität, Resourcenschonender,...)

 

Online Tagungen sind eine gute Alternative zu Präsenzveranstaltungen, aber wenn ein Tagung nur alle zwei Jahre stattfindet, ist die prsönliche Anwesenheit doch von von sehr hohem Nutzen. Bei einer einmaligen Online Veranstaltung, sind dies keine so grossen Nachteile, da man viele Teilnehmer von früher kennt. Bei ständigen Online Veranstaltungen droht aber die Gefahr der Anonymität.

 

Networking macht sich bei Präsenzveranstaltungen deutlich besser, aber der Inhalt der Vorträge kommt online genauso gut rüber.

 

Die Umfrage komme erst sehr spät nach der Veranstaltung. Da sind nicht mehr alle Details präsent.

Aussteller

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