Als besonders herausfordernd schilderten die Netzbetreiber die Beteiligung der Öffentlichkeit und die Genehmigung der Trassen. Diese sind wichtigster Teil der Arbeit und kommen zu den technisch anspruchsvollen Fragestellungen hinzu. Bisher technikorientiert arbeitende Ingenieure müssen sich vermehrt auf Projektkommunikation für erhöhte Akzeptanz in der Bevölkerung umstellen. Das HVDC-Kabelprojekt SuedOstLink soll bis 2025 fertiggestellt sein, was alle Beteiligten als sehr ambitioniert betrachten.
Auch gasisolierte Schaltanlagen sind inzwischen für hohe Gleichspannungen verfügbar. Dr. Maria Hering von der Siemens AG stellte die abgeschlossene Entwicklung einer SF6-isolierten Gleichspannungsschaltanlage (DC-GIS) für ±550 kV DC vor. Diese soll in den Übergangsstationen der HVDC-Kabel, aber auch in Offshore-Umspannwerken und Konverterstationen zum Einsatz kommen.
Netzausbau und -umbau
Der Umbau des Höchstspannungsnetzes im Rahmen der Energiewende und die politische Vorgabe des Kabelvorrangs bringt auch für Wechselspannungsnetze zahlreiche elektrotechnische Herausforderungen mit sich. Deshalb müssen sich Netzbetreiber heute sehr intensiv mit grundlegenden Fragestellungen neu befassen, so berichtete Dr. Klaus Kleinekorte, Geschäftsführung der Amprion GmbH. Einiger dieser Themen sind:
- Schaltvorgänge bei teilverkabelten Leitungsabschnitten und Entladeenergie in Verbindung mit angeschlossenen Verteilnetzen,
- Rückwirkungen auf das Netz durch den Zubau von großen Kapazitäten im Netz etwa MSCDN Anlagen (Mechanical Switched Capacitor with. Damping Network) und 380-kV-AC-Kabel,
- Blindleistungsmanagement und größere Anzahl von Umspannstationen wegen der durch kapazitive Ladeleistung begrenzten Kabellänge,
- Neue zusätzliche Resonanzfrequenzen,
- Größere Beeinflussung paralleler Infrastrukturen wie Gas- und Ölpipelines durch die Höherauslastung bestehender Freileitungstrassen oder als Folge „heißer Seile“
Neue Betriebsmittel für die Energiewende
Ein wiederkehrendes Thema bei der Fachtagung waren die Entwicklung neuer Betriebsmittel und die Weiterentwicklung bestehender Betriebsmittel zur Bewältigung der Energiewende. Dabei geht es um die Anpassung von vorhandenen Betriebsmitteln für eine erhöhte Übertragungsfähigkeit des bestehenden Netzes oder dem Einsatz von neuen Betriebsmitteln mit möglichst hoher Übertragungsfähigkeit und Verfügbarkeit. Zu diesen Betriebsmitteln gehören u.a. stufenlos regelbare Kompensationsdrosseln, Transformatoren mit Hochtemperatur-Isoliersystemen und Generatoren für schnell wechselnde Lasten.
Umweltfreundlichkeit
Ein weiterer Handlungsstrang besteht im Einsatz umweltverträglicher Isolierstoffe und Verarbeitungsmethoden in Schaltanlagen und Leitungen. Ein Beispiel sind Alternativen zum Isoliergas Schwefelhexafluorid SF6. Hier bieten alle großen Hersteller gasisolierter Schaltanlagen Lösungen an, allerdings unterscheiden sich diese alternativen Gase. Ein weiteres Beispiel ist der Ersatz von Mineralöl durch pflanzenölbasierte Ester. Für Ester liegen nunmehr Betriebserfahrungen über mehrere Jahre auch in Höchstspannungs- Hochleistungs-Transformatoren vor. Der Einsatz von unter Umweltgesichtspunkten unkritischer Materialien steigert die Akzeptanz für Ausbaumaßnahmen im elektrischen Energienetz. Für einen sicheren Betrieb dieser Anlagen sind meist neue Betriebskonzepte und neue Diagnostikmethoden erforderlich.
Prüfen, Diagnostik und Monitoring
Der traditionell stark vertretene Themenkomplex Prüfen, Diagnostik und Asset Management erhält seine Motivation aus drei Fragestellungen: Wie kann der alternde, in den 70er Jahren errichtete Hochspannungs-Betriebsmittelpark weiter sicher betrieben werden? Welche Auswirkungen haben die höheren und variableren Energieflüsse der Erneuerbaren auf diese Betriebsmittel? Mit welchen Prüfverfahren kann die Qualität neuer Betriebsmittel und Werkstoffe sichergestellt werden?
Der Messung und Analyse von Teilentladungen (TE) kam wie bei vergleichbaren anderen Konferenzen ein großer Raum zu. Insbesondere Kabelsysteme, wie sie aufgrund des Kabelvorrangs immer häufiger eingesetzt werden, sind ja äußerst empfindlich gegen Teilentladungen. Für die Messung unter Feldbedingungen wurden eine Reihe von Maßnahmen zur Störunterdrückung vorgestellt. Besonders schwierig gestaltet sich die Interpretation von Teilentladungen bei Gleichspannung (HVDC), da hier die für Wechselspannung erarbeiteten phasenaufgelösten Muster nicht angewendet werden können. Verschiedene Darstellungsmöglichkeiten wurden diskutiert, welche sich durchsetzen wird, ist allerdings noch nicht abzusehen.
Mehrere Veröffentlichungen betrafen den Einsatz von Isolierstoffen bei Mischfeldbeanspruchungen. Bei verschiedenen Anwendungen (z.B. in Konverterstationen) überlagern sich Gleichfelder und – durch schaltende Leistungselektronik – sehr hochfrequente Wechselfelder. Isolierflüssigkeiten, Feststoffe und Isoliersysteme wurden auf ihre Spannungsfestigkeit und Alterung unter Mischfeldbedingungen geprüft.